Ich kann nicht mehr genau sagen, wann es war, aber irgendwann Anfang der 1990er habe ich mein erstes Wargame gespielt. Die meisten werden es kennen, denn es ist eines der bekanntesten Spiele der Welt. Die Rede ist natürlich von Risiko. Die Welt wollte erobert werden, fernab von Kolonialismusgedanken. Wir bringen unsere Armeen in Stellung, schätzen die Aufstellung unserer Gegner ein und versuchen würfelnd, ihnen ein Stück der Weltkarte abzuluchsen. Vielleicht ist es vielen nicht bewusst, doch ja, Risiko ist ein Wargame, ein Kriegsspiel. Es ist auf die absoluten Grundlagen heruntergebrochen, stark abstrahiert, bleibt aber das, was auch heute noch einen großen Teil der Wargames im Kern ausmacht. Genauso verhält es sich mit Schach. Schach begann seinen Siegeszug vor vielen hunderten von Jahren und ist auf der ganzen Welt bei Jung und Alt beliebt. Und, es ist ein Wargame, ein Kriegsspiel. Man verfügt über Infanterie – die Bauern, ritterliche Kavallerie – die Springer, einen monarchischen Anführer – den König und seine Dame, es gibt Festungstürme an den Flanken und Offiziere – die Läufer. Das Ziel ist es, den Gegner zu unterjochen, ihn Schachmatt zu setzen, ihn seiner Handlungsmöglichkeiten zu berauben.
In diesem Beitrag schreibe ich über historisch inspirierte Wargames. Selbstverständlich gibt es auch rein fiktive Kriegsspiele in Sci-Fi oder Fantasywelten. Ein paar bekanntere wären z.B. Warhammer, Battletech oder Star Wars: Legion. Vieles, was ich nun schreibe, gilt auch für diese Spiele, aber ich möchte den historischen Aspekt explizit hervorheben, da gerade dieser mir besonders am Herzen liegt und die Faszination von Wargames eben noch erweitert.

Ihr merkt schon, ich halte nichts davon Wargames oder Kriegsspielen einen anderen, harmloseren Namen zu geben.
Kriegsspiele sind seit jeher in unserer Gesellschaft präsent und doch wird in der allgemeinen Wahrnehmung oft ein Unterschied gemacht, wenn ein gewisser Abstraktionsgrad verlassen wird und das Thema des Spiels sich realen Begebenheiten annähert oder sie sogar aufnimmt. Nicht wenige haben ein anerzogenes, schlechtes Gefühl dabei, Kriegsszenarien und historische Konflikte verschiedenster Tragweiten nachzuspielen.
Doch genau an dieser Stelle setzt das besondere Interesse an. Denn es sind gerade diese geschichtlich verankerten Konflikte, die, als Vorbilder für solche Spiele, einen großen Teil des Reizes ausmachen. Es ist die Mischung aus der Freude am Spielen, den taktischen und strategischen Entscheidungen, der Planung oder auch dem notwendigen Verwerfen eines Plans gepaart mit dem historischen Interesse an den vergangenen Konflikten und politischen sowie kriegerischen Verwerfungen unserer Welt. Das Spiel ermöglicht es, Geschichte auf eine besondere Art und Weise nachvollziehbar, verständlich und in gewisser Weise erlebbar zu machen. Nicht selten verleitet mich ein Wargame dazu, mich intensiver mit einer bestimmten Epoche zu beschäftigen und somit meinen persönlichen Horizont zu erweitern. Die Symbiose aus Spiel und historischer Recherche ist gerade deshalb so ergiebig, weil sie ein tiefergehendes Verständnis hervorbringt.
Bei Wargames haben Sieg und Niederlage ein anderes Gewicht als bei anderen Spielen. Ich will nicht sagen, dass in anderen Genres nur das Ergebnis zählt, doch der Verlauf einer Partie ist grundlegend anders.
Bei einem Wargame zählt oftmals vielmehr die Geschichte, die das Spiel selbst schreibt und die man gemeinsam erlebt, als das finale Ergebnis. Damit ist keine vorgegebene Handlung wie bei einem Kampagnenrollenspiel beispielsweise gemeint, sondern vielmehr der unvorhersehbare Ablauf der Ereignisse. Nichts ist berechenbar, jede Wendung möglich und jede Entscheidung der Spieler formt dieses einzigartige Erlebnis.
Genau diese Geschichte ist es, die uns Wargamern dann oft noch sehr lange im Gedächtnis bleibt.
Wer weiß später schließlich noch, wieviel Punkte der Endstand in einem x-beliebigen Eurogame betrug? An den einen, geglückten Vorstoß durch einen schwer bewachten Flaschenhals einer strategisch wichtigen Brücke in einem Wald im Frankreich des Jahres 1944 erinnern sich die Spieler jedoch noch lange.
Und haben dabei etwas gelernt.
Hinzu kommt eine Besonderheit, die in dieser Art nur Wargames und Konfliktsimulationen bieten. Ich lerne dabei etwas über mich und meine Kontrahenten, was wenn man es annimmt, sehr anregend sein kann. Wargames sind Konfrontation in ihrer direktesten Form, es gibt im Bereich der Brettspiele kein vergleichbares Genre. Mit dieser Art der Konfrontation muss man umgehen können und lernen, jeden Rückschlag und jede falsche Entscheidung als Teil eines Prozesses zu begreifen.
Niederlagen können frustrierend sein, wer kennt das nicht? Sie dürfen auch frustrierend sein. Doch welchen Schluss ziehe ich daraus? Ärgere ich mich über das Quentchen Glück meines Gegners und projiziere seinen Sieg in einen einzelnen Würfelwurf hinein? Oder analysiere ich meine Fehler und die richtigen Entscheidungen des Gegners, lerne hinzu und werde besser, lerne, über die Frustration hinauszuwachsen und sie zu nutzen?
Dies gilt natürlich auch für viele andere Genres, doch im Bereich des Wargaming hat diese Lehre eine besondere, soziale Note.

Ich hoffe, ein wenig dazu beitragen zu können, Wargames, Kriegsspielen einen besseren Ruf zu verschaffen und die Faszination dieses Genres zu vermitteln. Jedem mit etwas historischem Interesse kann ich nur wärmstens empfehlen, sich vielleicht mal ein wenig damit zu beschäftigen. Zu nahezu jeder Epoche gibt es das passende Spiel und ganz ehrlich: Wenn ich die Einstiegshürde gemeistert habe, dann könnt ihr das auch!
